LAG Düsseldorf, Urteil vom 20.08.2019 – 8 Sa 99/19
Wahrscheinlich würde sich die große Pina Bausch im Grabe herumdrehen, wenn sie des unwürdigen Schauspiels um ihre Nachfolgerin gewahr würde. Denn um die Position der Intendantin Adolphe Binder des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch, dessen Gesellschafter die Stadt Wuppertal ist, ist ein Streit entbrannt, der beispielhaft illustriert, wie eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung bis zur völligen Dekonstruktion der Beteiligten eskalieren kann.
Am Dienstag hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden, dass die fristlose Kündigung der Intendantin aus verhaltensbedingten Gründen wegen eines angeblich mangelhaften Spielplans und des Führungsstils der Klägerin unwirksam ist. Die Revision wurde nicht zugelassen, die Entscheidung ist damit rechtskräftig, wenn nicht das Tanztheater als Beklagte mit einer Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg hätte, was eher selten der Fall ist. Eine ordentliche Kündigung des bis 2022 befristeten Arbeitsvertrages war ebenso ausgeschlossen wie eine Probezeit, eine Kündigung war daher nur als außerordentliche, fristlose Kündigung möglich. Die dafür erforderliche Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sah das LAG nicht als gegeben an und bestätigte damit die Entscheidung des Arbeitsgericht Wuppertal in der ersten Instanz.
Auch eine offensichtlich erklärte Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung durch Verschweigen von Zwistigkeiten im vorangegangenen Engagement der Klägerin blieb der Erfolg versagt, kein Wunder, hatte doch das Tanztheater dem Vernehmen nach der Klägerin selbst von einer juristischen Klärung der Vorwürfe seinerzeit abgeraten.
Schwung in die Sache brachte offenbar der Einsatz eines von dem Tanztheater eingesetzten PR-Beraters, der gegenüber der Süddeutschen Zeitung eingeräumt haben soll, die seinerzeit an die Presse „durchgestochenen“ Indiskretionen über die fristlose Kündigung und deren Hintergründe auf Weisung eines allerdings nicht entscheidungsbefugten Gremiums in wechselnder Besetzung lanciert zu haben. Diese Indiskretionen trugen wohl – nicht überraschend – so erheblich zur Eskalation des Konflikts bei, dass die Geschäftsführung des Tanztheaters sich gezwungen gesehen haben soll, Strafanzeige zu erstatten. Diese allerdings wurde eingestellt, nachdem die Staatsanwaltschaft überraschenderweise festgestellt hatte, es deute einiges darauf hin, dass die Informationen im Auftrag oder wenigstens mit Billigung der Geschäftsführung selbst an die Presse gegeben worden seien.
Die Klägerin hat einen Abfindungsvergleich dem Vernehmen nach beharrlich abgelehnt. Die Intendanz liegt schon seit Herbst 2018 in den Händen eines neuen Führungsduos, das, wenn nicht Vernunft einkehrt bei den Beteiligten, demnächst um die alte neue Intendantin eine Erweiterung erfahren wird.
Die Hintergründe des arbeitsrechtlichen Dramas dürften klassisch sein: Eine hochqualifizierte und exponierte, arbeitgeberseitigen Strukturvorgaben nicht zugängliche Position wird besetzt. Planungssicherheit und vielleicht auch Besetzungsnot führen zum Abschluss eines faktisch unkündbaren Vertrages. Verhaltensbedingte Kündigungen wegen angeblich „chaotischen Arbeitsstils“, „Low Performing“ oder unangemessenen Führungsstils – wenn nicht gerade Mitarbeiter strafrechtlich relevant beleidigt werden – sind als Kündigungsgründe bekanntermaßen ungeeignet. Wenn dann die Erwartungen so dramatisch nicht erfüllt werden, wie dies in Wuppertal der Fall zu sein scheint, ist eine Trennung natürlich trotzdem unausweichlich. In welcher Form und mit welchen Mitteln beide Seiten hierum erfolglos miteinander gerungen haben, mag dahinstehen.
Das Arbeitsrecht stößt aber an seine Grenzen, wenn sich seine Bedeutung nach dem Willen der Beteiligten in der Bestätigung formaler Rechtspositionen erschöpfen soll. Ergänzt werden sollte es im Idealfall durch die Fähigkeit, Konflikte zu lösen. Und gute Manieren.