LAG Köln, Urteil v. 6.6.2019 – 4 Sa 18/19
Die Entscheidung des BVerfG vom 02.11.2020 (1 BvR 2727/19) über eine (erfolglose) Verfassungsbeschwerde zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds wegen rassistischer Beleidigung macht gerade die Runde durch Medien und Fachpresse. Bereits das BAG hatte die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen die Entscheidung des LAG Köln zurückgewiesen (BAG, Beschluss v. 23.10.2019 – 2 AZN 824/19). Nichtzulassungsbeschwerde und Verfassungsbeschwerde waren bereits unzulässig und wären aber auch – worauf das BVerfG ausdrücklich hinweist – unbegründet gewesen.
Die eigentliche Arbeit haben aber das Arbeitsgericht Köln (Urteil v. 9.11.2018 – 18 Ca 7824/17) und die 4. Kammer des LAG Köln geleistet, die nach Beweisaufnahme die Kündigungsschutzklage ab- und die Berufung zurückgewiesen haben.
Insbesondere das Urteil des LAG Köln darf ohne Weiteres hervorgehoben werden, setzt sich die Entscheidung doch dezidiert mit dem Unterschied zwischen einer „schlichten“ Formalbeleidigung – auch in ihren krassesten Formen – und einer rassistischen Beleidigung auseinander und bedient sich dabei der Grundlagen der Kommunikationspsychologie.
Das Ergebnis ist eindeutig und kann auch in Bezug auf die Einwände des dortigen Klägers als Blaupause für die Bewertung und daraus folgend den Umgang mit rassistischen Beleidigungen dienen.
1. Der Sachverhalt
Dem Kläger, Mitglied des Betriebsrats, wurden drei unterschiedliche Sachverhalte vorgeworfen in Form einer Selbstbeurlaubung, des Verdachts einer Falschaussage in einem Prozess gegen die Beklagte und wegen rassistischer Beleidigung eines Betriebsratskollegen schwarzer Hautfarbe. Wegen des Vorwurfs der rassistischen Beleidigung stimmte der Betriebsrat der fristlosen Kündigung des Klägers zu.
Dem Kläger wurde vorgeworfen, während einer Betriebsratssitzung seinem schwarzen Kollegen im Rahmen eines Dialogs über die Herangehensweise an ein bestimmtes Thema Affenlaute in Form von „Ugah, Ugah!“ entgegnet zu haben. Im Folgenden gab der Kläger im Rahmen seiner Anhörung u.a. an, bei „Ugah, Ugah“ handele es sich um ein harmloses Kinder-Spiel der Firma haba. Einen Grund zur Entschuldigung oder Reue sehe er nicht, da er kein Rassist sei und sich auch nicht rassistisch geäußert habe. In dem Kündigungsschutzverfahren gab der Kläger weiterhin u.a. an, die Bezeichnung eines Mitmenschen als „Affe“ sei nicht rassistisch gemeint. Auch Oliver Kahn sei als Affe bezeichnet worden. Der Umgangston im Betriebsrat sei im Allgemeinen mindestens flapsig, oft sogar roh gewesen, was aber nie ein Problem gewesen sei. So werde die Formulierung „Du Arschloch“ allgemein als akzeptabel empfunden. Er berufe sich im Übrigen auf die freie Meinungsäußerung.
Der Kläger war abgemahnt wegen einer Beleidigung gegenüber einem anderen Mitarbeiter in Form der Äußerung „Schau woanders hin, sonst ficke ich dich …!“.
2. Das Urteil
Das Arbeitsgericht hatte Vorarbeit in Form einer umfangreichen Beweisaufnahme geleistet, in der sowohl der bestrittene Sachverhalt der Abmahnung als auch der Inhalt und der Ablauf des Dialogs, der zur Kündigung geführt hatte, bestätigt wurden.
Das LAG setzt sich dann mit dem Inhalt der von dem Kläger verübten rassistischen Beleidigung unter Anwendung der kommunikationspsychologischen Theorie nach Schulz von Thun auseinander. Danach ist einer Ansprache mit „Ugah, Ugah!“ gegenüber einem Menschen mit dunkler Hautfarbe folgende Bedeutung immanent:
„Auf der Sachebene: „Ich sehe in dir einen Primaten, der sich nahezu kommunikationsunfähig auf dem geistigen Niveau eines zweijährigen Kindes bewegt.“
Auf der Appellebene: „Hör auf zu reden und tue nicht so, als könntest du denken.“
Auf der Selbstoffenbarungsebene: „Die Hautfarbe eines Mitmenschen ist für mich ein grundsätzlicher und bestimmender Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften, ich lasse mich also von rassistischen Gedanken leiten.“
Auf der Beziehungsebene: „Ich verachte dich. Die mir gleichen Menschen sind hochwertig, die dir gleichen Menschen sind minderwertig.“
Diese Auffächerung der verschiedenen Kommunikationsebenen zeige, dass es nicht um eine schlicht derbe Beleidigung eines Kollegen gehe wie z.B. „Arschloch“, „dumme Sau“ oder „Stricher“. Vielmehr werde durch die Verbindung zu einem nach § 1 AGG verpönten Merkmal die schlichte Beleidigung, die lediglich ein Zeichen mangelnder Beherrschung und Erziehung wäre, zur Selbstoffenbarung eines Diskriminierenden und in diesem speziellen Fall eines Rassisten. Auch der Hinweis auf die Titulierung von Oliver Kahn als „Affe“ ergebe nichts anderes. Denn Kahn sei alles andere als dunkelhäutig, so dass die damalige Beleidigung zwar wenig schön, aber jedenfalls nicht rassistisch gewesen sei. Das Nachtatverhalten des Klägers schließlich und dessen Uneinsichtigkeit im Verfahren zeige, dass es sich bei der Äußerung des Klägers um kein Spontanversagen oder einen bedauernswerten Ausrutscher gehandelt, sondern der Kläger vorsätzlich und beharrlich gehandelt habe.